(…eine neue alte Generation im Kommunikationsrausch…)
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Vor ein paar Wochen wurde meine Tante Doris 75. Ein Alter, das in der heutigen Zeit ja nun noch kein Alter ist, wie sie immer betont. Tante Doris ist sehr modern. Sie hat einen exklusiven Wohngeschmack, sammelt moderne Kunst von unbekannten Künstlern und interessiert sich immer für die angesagteste Mode auf den Laufstegen dieser Welt. Das einzige wogegen sie sich die ganze Zeit gesträubt hat, war das Thema Handy.
„Warum soll mich bitte jemand anrufen, wenn ich doch eh nicht zu Hause bin?“ war ihr Argument. Dass es vielleicht auch mal Notsituationen geben könnte, schloss sie kategorisch aus. An ihrem 75. Geburtstag bekam sie von meinem Cousin und mir dennoch ein schickes Smartphone geschenkt, was erst einmal mit hochgezogenen Augenbrauen achtlos auf dem Gabentisch hinter einem Meer von Blumensträußen und Gestecken verschwand.
Ein paar Tage später, es war fast Mitternacht und ich war gerade eingeschlafen, wurde ich durch das Brummen meines Handys wieder in die Wirklichkeit geholt. Das Wort TEXT steht da in der Sprechblase der SMS und erleuchtet mein dunkles Schlafzimmer. Mehr nicht. Und schon blinkt mein Handy wieder. TEXT. HALLO. TEXT. Immer mehr Nachrichten werden auf meinem Display angezeigt. Irgendwann erscheint dann HIER IST TANTE DORIS. Zuerst leicht genervt, dann belustigt, bin ich doch sehr stolz auf meine Tante, dass sie das Handy tatsächlich in Benutzung hat. Ich antworte kurz mit „Gute Nacht“.
Mein Cousin erzählt mir dann ein paar Tage später wie es dazu kam. Tante Doris hatte bei ihrem Bridge-Treffen den anderen Damen völlig empört von diesem unnützen Geschenk erzählt. Daraufhin holten alle anderen stolz Ihre Handys aus den Taschen und meinten, dass sie auf auf dieses Wunderding gar nicht mehr verzichten wollten und dies so viel Spaß machen würde.
Seit dem ist die Frau im modernen Kommunikationsrausch. Anfänglich kamen alle Nachrichten konsequent in Großbuchstaben. SONNE. Was so klang, als ob ich dafür sorgen sollte, dass gefälligst die Sonne scheinen soll. Für mich vermitteln Großbuchstaben oftmals so einen sehr bestimmenden Befehlston. Einmal hat sie, anstatt meiner Handynummer einzugeben, meine Festnetznummer getippt. Eine monotone Computerstimme las mir durch den Hörer vor: ICH FREUE MICH. MEINE ERSTEN GÄNSEBLÜMCHEN SIND AUF DER WIESE. ES WIRD FRÜHLING. Das klang als hätte Darth Vader auf einmal seine softe Seite entdeckt.
Ich muss sagen, Tante Doris lernt wirklich schnell. Nach nur zwei Wochen wurden die SMS mit lustig hüpfenden Smileys ergänzt. Mal küssend, mal genervt blickend, wenn es im Supermarkt wieder zu lange dauerte. Die Kommunikationsmaschine machte keine Pause mehr und jagte zu jeder sich bietenden Situation Nachrichten am mich heraus. Dann kam eine Nachricht meines Cousins: „Meine Mutter nervt mich mit ihrem Handy und diesen SMS *rollende-Augen-Smiley* Ich bereue unser Geschenk mittlerweile etwas…“ Am Telefon erzählt er mir dann, dass er mittlerweile kaum noch Anrufe von ihr bekommt. Und wenn, dann sind diese fast genauso stenografisch wie ihre SMS. Postkarten gibt es seitdem auch nicht mehr. Nur noch ein Foto mit der Bridge-Gruppe beim Kirchenausflug in Sankt Bartholomä, ein kurzer getippter Gruß und an dessen Ende zwei schunkelnde Bierkrüge. Mein Cousin klang echt frustriert. Und ich kann ihn verstehen.
Gerade vor zwei Tagen schrieb ich nämlich Tante Doris abends eine umfangreiche SMS, in der ich ihr erzählte, dass ich das Rezept für ihren Milchreis, den sie uns damals immer einmal in der Woche nach der Schule gekocht hat nicht mehr finde und fragte sie, ob sie es mir vielleicht nochmal aufschreiben könnte. Daraufhin bekam ich ein Bild von ihr geschickt, auf dem man sie jugendlich gekleidet in einer Bar am Tresen sitzen sah, neben ihr Frau Dörrhöfer, ihre Bridge-Freundin, umringt von einem Dutzend halb so alten Männern. Darunter der Satz: „ICH MELDE MICH MORGEN BEI DIR TANJA. HAB ZU TUN. BIN JETZT OFFLINE!“
Das Rezept bekam ich dann ausnahmsweise handgeschrieben von meiner Tante persönlich überreicht. Allerdings mit dem Satz: „Also, so ein Computer soll ja auch sehr praktisch sein….“
Ich war dann so frei und habe das Rezept von Tante Doris Milchreis ein wenig neu interpretiert. Heraus kam Milchreis 2.0 in Form von Milchreis-Sushi mit Erdbeeren und Pistazien-Minz-Pesto. Und um auch komplett im Zeitalter von Internet & Co. zu bleiben, habe ich mir diesmal alle Zutaten dafür einfach liefern lassen. Sehr praktisch, wenn man mal wieder keine Zeit hat das House zu verlassen oder das Auto seinen Geist aufgegeben hat.
Wenn ich das Tante Doris verrate, flippt sie total aus. Sie wird alle ihre Bridge-Damen damit neidisch machen, dass sie nun endlich nicht mehr von der aufdringlichen Frau Auperle, die seit gefühlt 100 Jahren im ortsansässigen Supermarkt an der Kasse arbeitet, darauf hingewiesen wird, dass die Plastik-Einkausfskörbe den Markt nicht verlassen dürfen.
Und so kommt jede Generation irgendwann und irgendwie im neuen Zeitalter an. Ich sage Euch, die Alten sind die neuen Jungen Wilden…
Das Milchreis-Sushi-Rezept gibt es hier:
- 1 Liter Milch, zimmerwarm
- 250 g Milchreis
- 4 EL Zucker
- 1 EL Butter
- 1 Vanilleschote
- Reispapier
- 250g Erdbeeren gewürfelt
- Sesam ungeschält
- Für das Pesto:
- 15 g gehackte Mandeln
- 5 Stiele Minze
- 3 Stiele Thai-Basilikum
- 30 g Pistanzien
- 4 Tl Honig
- 2 El Limettensaft
- Salz
- 5 El Traubenkernöl
- In einem ausreichend großen Topf die Butter schmelzen, anschließend den Milchreis kurz in der Butter anschwitzen. Nun die zimmerwarme Milch sowie 4 EL Zucker hinzugeben. Das Mark einer Vanilleschote sowie die aufgeschlitzte Schote ebenfalls in den Topf geben. Alles unter vorsichtigem Rühren mit dem Holzkochlöffel einmal aufkochen lassen, dabei aufpassen, dass sich nichts am Topfboden ansetzt.
- Nun den Topf auf eine Herdplatte stellen, die auf kleinster Stufe heizt. Den Milchreis im geschlossenen Topf ca. 30 Minuten ziehen lassen. Zwischendurch immer mal umrühren.
- Den Milchreis auskühlen lassen.
- In der Zwischenzeit für das Pistazien-Minz-Pesto die Mandeln in einer Pfanne ohne Fett goldbraun rösten, auf einen Teller geben und abkühlen lassen. Minze- und Basilikumblätter abzupfen. Mit Mandeln, Pistazien, Honig, Limettensaft, 1 Prise Salz und Traubenkernöl in einen Blitzhacker geben und sehr fein mixen. In ein Gläschen füllen und beiseitestellen.
- Die Reisblätter mit Wasser befeuchten und auf einem Brett auslegen.
- Im oberen Drittel den Milchreis verstreichen und mit Erdbeerwürfeln belegen.
- Dann aufrollen und die Enden zusammendrücken.
- Die noch feuchten Rollen in Sesam wälzen und kühl stellen.
- Die Sushi-Rollen in Scheiben schneiden und mit dem Pesto anrichten.
- Guten Appetit!
Mordernste Zeitalter angepasste Grüße
(keine Ahnung wie man modern grüßt…Ich sollte Tante Doris vielleicht demnächst noch die Ghettofaust beibringen :-) )
Eure
aus dem House No.15
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von allyouneedfresh.de
Sabrina
Fantastisch!
Super Rezept, mit großartigen Fotos und eine wunderbare Geschichte, die mich echt zum Lachen gebracht hat ^^
Tanja
Hallo Sabrina,
Dankeschön! :) Ich freue mich immer sehr, wenn meine Geschichten (und Rezepte) anderen den Tag erheitern!
Hab ein tolles Wochenende,
liebe Grüße
Tanja
Ksi
Ich hab echt überlegt ob ich meiner geliebten Mutter jetzt auch ein Smart Phone kaufe
Tanja
Hallo Kai,
mach das mal. Und erzähl mir wie sie sich it dem Ding anstellt ;)
Liebe Grüße
Tanja
Natja
Prima Idee auch als Nachtisch. Da die Asiaten ja wenig bis gar nichts in puncto Desserts im Angebot haben, ist man immer etwas ratlos, was man nach Sushi, Sashimi & Co. Gästen noch als Abschluss auftischen soll. Jetzt gibt es eine Lösung!
Tanja
Hallo Natja,
ja das stimmt. Das Nachtischangebot bei den Asiaten ist etwas begrenz. Süsses Sushi ist vielleicht nicht traditionell, aber zumindest lecker und fürs Auge schön.
Hab ein schönes Wochenende,
liebe Grüße
Tanja
lieberlecker
Herrliche Geschichte, interessantes Rezept und tolle Fotos wie immer :-)
Schönes Wochenende ins House No. 15 und
liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Tanja
Grüezi Andy,
lieben Dank für Deine Komplimente :)
Dir auch ein tolles Wochenende!
Viele liebe Grüße nach Zürich
Tanja
Doris
Liebe Tanja,
ich sitze hier und gluckse – sehr nachhaltig – vor lauter Lachen. Dieses abgewandelte Milchreisrezept ist unglaublich, und beim Betrachten deiner prachtvollen Fotos wurden meine Augen immer größer…. Diese Geschichte mit bzw. um Tante Doris hat mir dann die (Lach-)Tränen in die Augen getrieben. Wenn du einen Blick ans Ende meines Kommentars wirfst, weißt du warum…. Ich gebe ganz kleinlaut zu, dass ich auch Doris heiße, und sollte mir dieser Blogbeitrag einen persönlichen Blick in meine Zukunft weisen???? Ich bin zwar noch weit von 75 entfernt, aber ich besitze weder ein Handy noch einen Computer. Nachdem ich deinen dermaßen erheiternden Text gelesen habe, keimt auch bei mir wieder ein wenig Hoffnung auf…und bis 75 habe ich dann noch genügend Zeit, mich mit dem Technikgedanken anzufreunden. Ich liebe deinen Blog, den ich fast schon regelmäßig besuche: beeindruckende Fotos, abwechslungsreiche Rezepte und – vor allem – einzigartige Texte!
Ich schicke dir keine Ghettofaust, sondern herzlichste Grüße
Doris
Tanja
Liebe Doris,
ich muss auch gerade sehr lachen!
Für seinen Namen kann man ja nix *hihi
Das finde ich ziemlich spannend, so ohne Handy und PC in der heutigen Zeit.
Bis zu Deinem 75. kannst Du ja noch gedanklich damit spielen, dir so eine Ding zuzulegen.
Ich habe mich sehr über Deinen Besuch im House gefreut.
Liebe Grüße
Tanja
Clemens
Liebe Tanja,
ach, was habe ich dich und deinen Blog vermisst! Keine kann das soo gut – das Schreiben von derartig wassertreibenden Texten! Wassertreibend in doppelter Hinsicht: die Lachtränen kullern die Wangen herunter und….wenn man vor lauter Lachen nicht aufpasst….nein! Von einer plötzlich auftretenden Pseudo-Inkontinenz will ich jetzt nicht sprechen….soweit ist’s noch nicht! *grins* Dein Rezept hat mich ganz schnell in meine Kinderzeit katapultiert. Nicht Tante Doris hatte das ultimative Milchreisrezept, sondern Oma Adelheid (aber einen Gartenzwerg hatte sie nicht…sie hatte schließlich mich als Enkel! *zwinker*). Oma Adelheid kochte einen sensationellen Milchreis. Allerdings – dein Milchreis-Erdbeer-Sushi-Rezept ist eine Sensation mit nicht nur einem Stern, so wie DU immer wieder ein Stern unter allen Foodbloggerinnen bist! Deine Fotos sind einfach großartig, und eure Tante Doris ist der Knaller. Ich denke mal, mit ihr werdet ihr noch viel Spaß haben. Ja, und ich freue mich wieder sehr auf deinen nächsten Blogbeitrag, denn das weiß ich auch schon heute – auch ich werde wieder viel Spaß haben – mit dir und bei dir. Du bist ein Phänomen – und dabei denke ich nicht an den Song von Helene Fischer! *grins*
Herzlichst Clemens
Tanja
Lieber Clemens,
wie schön, dass Du mir wieder einen Hausbesuch abgestattet hast.
Milchreis ist immer so ein Kindheitserinnerung-Ding, ob bei Doris oder Adelheid.
Gegen Inkontinenz hilft er allerdings nicht, befürchte ich ;)
Hab ein schönes Wochenende,
liebe Grüße
Tanja
Tom
Ach Tanja……
langsam komm ich mir echt ein wenig schäbig vor, das ich hier immer das Gleiche schreiben muss, tolle Fotos, phantastischer Text usw.,usw., ich überlege ständig wie ich das mal anders in Worte fassen kann….hm, aber mir fallen immer nur die gleichen Adjektive ein, um zu beschreiben was ich in Deinem Blog finde. Die Geschichten um Deine Rezepte „herumgebaut“ sind so wundervoll! Weißt Du, mittlerweile ist es wirklich so, das ich mich nach einem 12 oder 14 Stunden-Tag einfach Abend mit Deinem wundervollen Blog „belohne“! Bleib so wie Du bist, Du bist wunderbar in dem was Du tust (Ich weiß, schon wieder lauter schmalzige Adjektive…..aber es geht nun mal nicht anders!
Danke, daß es Dich gibt!
Tom von Kochbuch.tips
Tanja
Hallo lieber Tom,
ich freue mich so sehr, dass es Dir hier im House so gut gefällt!
Und ich liiiiiiiebe schmalzige Adjektive *grins*
Danke für Deine lieben Worte!<3
Viele liebe Grüße
Tanja
Tischlein deck dich
Hallo Tanja. Eine schöne Geschichte und weißt Du was? Ich habe auch eine „Tante Doris“ echt heißt so auch. Sie ist im gleichen Alter und würde niiiee niemals ein Handy anrühren. Und das Weihnachtsgeschenk meiner Mutter, ein Smartphone, haben wir jetzt wieder verkauft. Schade
Tanja
Hallo Birgit,
lustig dass Deine Tante auch Doris heißt! ;)
Den Zugang zu den neuen Kommunikationsmitteln findet nicht jeder…und mitunter ist das auch sehr gut. Manchmal wünsche ich mir auch die Zeit vor Handy und Co zurück…
Ganz liebe Grüße
Tanja
KathyP
Hat mal jemand das Rezept ausprobiert? :)