{…Runterkommen für Fortgeschrittene…}
Leute… da bin ich seit einiger Zeit mal wieder… Mein Blog- und Social-Media-Detox hat einen Grund.
Heutzutage ist der Satz „Ich bin ja so gestresst…“ irgendwie ziemlich modern geworden. Wer nicht gestresst ist, hat den falschen Job, liegt nur auf der faulen Haut und schiebt ständig eine ruhige Kugel, während die Welt da draußen um sich selbst rotiert.
UNGESCHÖNTE VERBAL-MASSAGE
Vor kurzem hatte ich meine Tante am Telefon, die mich wie immer fragte: „Und Tanja, wie geht es Dir?“ „Gestresst…“, sagte ich. Dann folgt Stille. Ich kenn das schon. „Ooooch Mäuselein…!“ Das kommt immer mit so viel Tanten-Empathie rüber, dass man damit ein ganzes Kinderheim hell erleuchten und spontan (auch außerhalb der Adventszeit) in Weihnachtsstimmung versetzen könnte.
Ich telefoniere zweimal pro Monat mit meiner Tante. Nicht nur um zu erfahren, ob sie noch unter den Lebenden ist, sondern um mir Kommentare zu meinem Leben abzuholen. Diese Kommentare haben quasi die gleiche Wirkung, wie die rabiate Massage eines 200 Kilo schweren tschechischen Physiotherapeuten. Man wird durchgewalkt und abgeschrubbt. Sind die ersten Schmerzen aber abgeebbt, fühlt man sich besser. Meine Tante nimmt kein Blatt vor den Mund und walkt mich verbal jedesmal gründlich durch…Schmerzhaft ist es mitunter, aber auch heilsam.
VOLLDAMPF! IMMER UND ÜBERALL
Vor Kurzem musste ich mir anhören: „Tanja, dauernd heulst Du rum, dass Du keine Zeit hast. Wie kann denn das sein?“
Hm… wie kann das denn sein? Gute Frage.
Irgendwie habe ich mir ein Volldampfleben angewöhnt. Morgens im Bett, wenn um 4 Uhr der Wecker klingelt, checke ich meine Mails und schaue in meinen Social Media Kanälen nach neuen Unglaublichkeiten meiner „Freunde“. Ständig hat man das Gefühl nichts verpassen zu dürfen und der Welt da draußen permanente Einsatzbereitschaft zu demonstrieren. Wahrscheinlich fühlt sich ein Jack-Russel-Terrier nach 2 Dosen Red Bull nicht anders.
Meine Tante hat mir ein rigoroses „Nein“ verordnet. Das Handy und den Computer ab 20 Uhr auszuschalten und erst ab morgens 8 Uhr wieder einzuschalten. Meine Tante besitzt weder Handy, noch Computer, sondern telefoniert noch mit einem Gerät mit Spiralkabel in waldgrün… Und sie ist seit gefühlten 100 Jahren mit ihrer Witwenrente vollends versorgt.
Dennoch glaube ich, dass sie irgendwie Recht hat. Ich sollte immer mal Handy- und PC-Detox betreiben, um mich mal wieder selbst zu spüren. Dass ich zum Detoxen so schnell gezwungen werde, konnte ja keiner wissen…
SPONTANES (UNFREIWILLIGES) ZWANGS-DETOXEN
Mein Handy wurde mir geklaut….!
Wenn ich daran denke spüre ich immer noch eine ohnmächtige Wut, die aber nichts an der Tatsache ändert, dass das Ding weg ist und ich dem Dieb wünsche, dass ihm (oder wem auch immer) das Gerät direkt am Ohr explodiert und den ganzen Kopf wegreißt… (ja ich kann nicht nur nett, sondern habe mitunter echt seeeeehr düsterer Gedanken!).
Das Ding bedeutet: 2,5 Jahre Leben in Form von Fotos, Telefonnummern (die mich seit Jahren schon begleiten) und Chats mit Menschen, die ich nicht mehr aus meinem Leben streichen möchte… alles gelöscht. Alles weg. Gelöscht von mir. Um meine Privatsphäre zu schützen. Aus der Ferne. Aus Angst, dass jemand Fremdes mit meinen Fotos, Daten, usw. Schindluder treibt.
Ja, man möge mich jetzt steinigen und für total bescheuerte halten, aber ich habe meine Daten NICHT gesichert… Und jaaaaaa… ich weiß, dass das ein Riesenfehler war. (Also jeder, der sich jetzt wegen meiner Blödheit an die Stirn klatscht, möge sich bitte zurückhalten und aus Respekt, für meine Person, still schweigen…!) Es ändert jetzt auch nichts mehr an der Tatsache, dass nun jemand im Besitz meines Telefons ist, dem ich schmerzlich hinterher trauere. Es ändert nichts…! Also bitte ich an dieser Stelle von Bele(e)(h)rungen abzusehen…
GEDÄCHTNIS-EMOTIONEN ABRUFEN
Nachdem ich mich aber mit der Tatsache abgefunden habe, dass 2,5 Jahre Fotomittschnitte und sonstige Begebenheiten meines Lebens, in welcher Form auch immer, einfach ausgelöscht sind, habe ich darüber nachgedacht was in diesen 2,5 Jahren alles passiert ist.
Und soll ich Euch etwas sagen? Es ist eine wirklich wundervolle Sache sich Ereignisse im Kopf herbeizurufen und sich seine eigene Diashow zu kreieren, in Erinnerungen abzutauchen, Erlebnisse und Situationen wiederzubeleben, ohne dass man dafür ein Foto, eine Whats App oder SMS als Reminder hinzunimmt. Einfach aus dem Gedächtnis und dem Kopf heraus.
Und genau an dieser Stelle beneide ich meine Tante, die genau diesem „Stress“ nicht unterliegt und Erlebnisse und Emotionen aus ihrem Gedächtnis heraus wiederbelebt.
Gestern Abend habe ich zum Beispiel in der Badewanne gelegen und seit über einem Jahr mal wieder ein Buch dabei gelesen (ohne mein Handy am „Beckenrand“ liegen zu haben- es könnte ja eine Whats App, eine Message von Facebook oder ein Email eintreffen…)
Da ich wusste, dass nichts kommt, war ich so tiefenentspannt in meinem Badeschaumberg und 30 Grad warmen Wasser versunken, wie schon seit langem nicht mehr. Das Detoxen scheint zu funktionieren….
Aber was zeigt mir das?
In der heutigen Zeit unterliegt jeder (je nach Ausprägung) diversen Zwängen und Ängsten etwas zu verpassen, dass es mitunter schon ungesund wird.
Auch wenn ich vielen Dingen der heutigen Zeit wirklich dankbar bin, denn sonst würdest DU gerade nicht diesen ellenlangen Text lesen und wärst nicht (wo auch immer) über meinen Blog gestolpert…. (Dafür möchte ich übrigens an dieser Stelle DANKE sagen!) Aber immer mal abschalten- und damit meine ich auch das Handy und den Computer, verschafft einem tatsächlich eine sehr qualitative Zeit für Dinge oder auch für sich selbst, die man anders nicht mehr bekommt.
IM HIER UND JETZT
Zum Handy-Detox möchte ich noch etwas anmerken:
Auch wenn es eine schmerzliche und teure (!!!) Erfahrung für mich war, mein Handy nicht mehr in meiner rechten Gesäßtasche bei mir zu führen…es war auch zugleich eine sehr lehrreiche Situation.
Ich habe gemerkt, dass man sich Begebenheiten im Gedächtnis lebendig halten soll (und nicht nach zwei Jahren von Facebook auf ein Ereignis, was man irgendwann gepostet hat, aufmerksam gemacht werden soll) und man JETZT lebt, genießt, entspannt,… und sich nicht darüber grämen soll, dass 2,5 Jahre auf einem elektronischen Gerät ausgelöscht sind.
Die Erinnerungen leben im Herzen und das ist viel intensiver als 15.354 Fotos, 1.423 Videos (ja, das war alles auf meinem Handy…ungesichert…!) und 250 Chats auf Whats App (von denen nur 3(!) die Wichtigkeit gehabt hätten, fürs Leben gespeichert zu werden…).
Ich speichere gerade DIESEN Moment, in dem ich DIR/Euch hier schreibe, in meinem persönlichen und emotionalen Gedächtnis und nicht in einer elektronischen Datenbank oder Cloud…
DANKE, dass es Dich/Euch gibt und DANKE, dass Du/Ihr mich hier immer im House besucht.
Gerüche kann man übrigens auch sehr gut im Kopf speichern: Ich genieße immer noch den Duft und den Anblick meines Mandel-Honig-Brotes mit Rosmarin, der sich tief in mein Wohlfühl-Gedächtnis eingebrannt hat…
- 800 g Mehl
- 200 g Vollkornmehl
- 1 ELZucker
- 1 Würfel
- Hefe, (42 g)
- 1 EL Salz
- 800 ml Wasser
- 2 Handvoll Mandeln
- 4 EL Cranberries
- 2 EL Honig
- 2 EL gehackter Rosmarin
- Beide Mehlsorten mit Zucker mischen und eine Mulde hineindrücken.
- Hefe im Salzwasser auflösen und in die Vertiefung geben.
- Den Honig, die Cranberries, sowie die Mandeln hinzugeben.
- Masse sorgfältig mischen und mit den Händen zu einem glatten Teig verarbeiten.
- Den Teig ca. 1½ Stunden an einem warmen Ort zugedeckt gehen lassen.
- Den Brotteig mit den Händen zu eine Laib formen und mit dem gehackten Rosmarin bestreuen. Den Laib mit einem Messer in der Mitte der Länge nach einschneiden und noch einmal gehen lassen.
- Dann im vorgeheizten Ofen bei 200°C ca. 50 Minuten goldbraun backen.
In diesem Sinne: genießt den Augenblick und sammelt nicht nur Erinnerungen mit dem Handy oder der Cloud in der Vergangenheit !
Eure
aus dem House No.15